Donnerstag, 23. Januar 2020

8. Was ist Leben?



Der Urgrund ist das reine Bewusstsein. Man kann es sich wie einen ewigen, unendlichen Ozean vorstellen. Die Wellen des Ozeans sind der ständige Wandel. In den Yogasutras nach Patanjali nennt man die Bewegungen, die sich ständig wandelnden Muster des Bewusstseins vritti. Der Sanskrit-Begriff vritti leitet sich von der Wurzel vrit ab, die „wählen“, „vorziehen“ bedeutet. Das Bewusstsein wählt einen der unendlich vielen Zustände der Potenzialität aus oder zieht ihn den anderen Zuständen vor und erzeugt daraus den eindeutigen realen Zustand. Aus der Wurzel vrit leitet sich aber auch „bewegen“, „sich drehen“ ab. Dieses Bewegen ist der Bewusstseinsprozess, der EVA-Prozess, aus dem alles entsteht.

Alles was existiert, sind nur angeregte Zustände, nur unterschiedlich hohe Wellen, dieses Urzustandes. Bewusstsein ist ein Spektrum angeregter Zustände des Urgrundes, das mit dem Tod, dem reinen Unbewusstsein oder Nicht-Wissen beginnt und mit dem bewussten Tod, dem reinen Bewusstsein oder All-Wissen endet. Das Bewusstsein verließ die Bewusstseinsebene Tod, indem es unbelebte Materie erschuf. Alle Materie, jedes Atom, besitzt eine Art von Bewusstsein. Es kann hier aber nur die niedrigsten Zustände einnehmen. Über den Evolutionsprozess wurden die Strukturen immer komplexer, immer informationsreicher. Aus den Elementarteilchen wie Quarks und Elektronen, entstanden Atome. Diese verbanden sich zu Molekülen, die immer größer und komplexer wurden. Aus den großen, komplexen Molekülen, den Polymeren, entstanden schließlich Zellen. Die Zellen ordneten sich zu Aggregaten an, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Solche organisierten Vielteilchensysteme, die ihre interne Organisation selbständig aufrechterhalten, nennt man Organismen. Diese Organismen waren irgendwann in der Lage Kopien von sich herzustellen. Mit diesen selbstreproduzierenden Organismen ist auf der Erde ein neuer Prozess entstanden: Leben. Lebende Strukturen sind die komplexesten EVA-Prozesse, die wir heute kennen.

Jeder dieser unzähligen Schritte ist eine Bewusstseinserweiterung, gekennzeichnet durch immer mehr Information, immer mehr Wissen, immer mehr Erkenntnis. Um diesen immer größeren Informationsgehalt aufzuzeichen, speichern zu können, wurden die Strukturen der Datenträger immer komplexer. Und so steigt das Bewusstsein Stufe um Stufe immer weiter hinauf auf seiner Leiter zum Himmel.


Genauso wie das sichtbare Licht nur ein kleiner Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums umfasst, ist auch Leben nur ein kleiner Teil innerhalb des Bewusstseinsspektrums. Lebewesen können unterschiedliche Bereiche in diesem Abschnitt einnehmen. Genauso wie wir beim Licht nur bestimmte Bereiche wahrnehmen können, gibt es auch außerhalb des Lebensspektrums Bereiche, die wir mit unserem subjektiven Bewusstsein nicht erfahren können. Genauso wie unser physischer Wahrnehmungsapparat ist auch unser subjektives Bewusstsein begrenzt. Leben ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Es ist auch kein neuer Stoff oder eine neue Kraft entstanden, weder außerhalb noch innerhalb der Materie. Leben ist der Ausdruck des Bewusstseins ab einer bestimmten Bewusstseinsstufe mit einem entsprechend hohen Informationsgehalt und komplexen EVA-Prozess. Die Grundlage des Lebens sind nicht Formen, sondern Funktionen, Prozesse. Nicht die Materie ist die Grundlage, sondern das Bewusstsein. Es ist das Bewusstsein, das die Materie erschafft und ihr sagt, was sie tun soll, nicht umgekehrt.

Wie Elektronen auf ihren Schalen, bewegt sich auch der Bewusstseinsprozess auf unterschiedlichen Ebenen. Je höher die Ebene, desto mehr Information oder entsprechend Energie wird benötigt. Prozesse auf höheren Ebenen lassen sich deshalb nur begrenzte Zeit aufrechterhalten, dann „springt“ der Prozess wieder auf informations- oder energieärmere Ebenen. Auf den höheren Bewusstseinsebenen bezeichnet man diese Sprünge als Leben und Tod und auf den niedrigsten Ebenen als Quantensprung.


Wir Menschen können komplexe Maschinen, Automaten, Roboter und sogar künstliche Intelligenz erzeugen. Doch all dies sind nur Formen von Materie. Abläufe, Prozesse auf sehr niedrigen Ebenen, weit entfernt von den Bewusstseinsstufen, auf denen Leben entsteht. Der Mensch kann kein neues Leben erzeugen. Wir können, wenn wir uns fortpflanzen, Leben nur weitergeben. Leben kommt niemals von außen in etwas hinein, Leben kommt immer von innen heraus. Dinge sind nur die Erscheinungsformen, in denen Prozesse wirken. Lebewesen sind nur die Erscheinungsformen des Lebensprozesses. Lebewesen sind die Kleider, mit denen sich das Leben kleidet. Wenn der Mensch aber kein Leben erzeugen kann, wieso ist er dann der Meinung, Leben vernichten zu können? Der Mensch kann keine Materie vernichten, er kann sie nur umwandeln. Er kann nur die Formen, zu der sich die Materie zusammengeschlossen hat, zerstören. Der Mensch kann auch kein Leben vernichten, er kann nur die Prozesse, durch sie es sich ausdrückt, zerstören. Er kann nur die Kleider, nicht aber das Leben selbst, zerstören.Was es aber nicht weniger schlimm macht. Im Gegenteil. Kein Prozess ist unabhängig von allen anderen Prozessen. Behindern wir Prozesse in ihrer natürlichen Entwicklung, zerstören wir Prozesse, hat das immer auch Auswirkung auf unseren Prozess. Denn die Ausgaben der anderen Prozesse sind die Eingaben in unseren Prozess. Die Aufgabe des Menschen ist es, die Ausdrucksformen des Lebens zu behüten, nicht sie zu zerstören. Wir sollten so leben, dass wir keinem lebenden Wesen absichtlich ein Leid antun, denn dieses Leid fällt früher oder später auf uns zurück. 

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