Samstag, 11. Januar 2020

19. EVA IV: Ausgabe


Mit Konzentration und Achtsamkeit können wir den Eingabe- und den Verarbeitungsteil unseres Bewusstseinsprozesses beeinflussen. Haben wir geeignete Eingabewerte ermittelt und das richtige Programm angestoßen, müssen wir nur noch auf das Ergebnis, die Ausgabe unseres EVA-Prozesses, warten. Dieses bewusste Warten auf das Ergebnis, das Erfahren der Ausgabe, ist meine Definition von Meditation. Meditation ist nicht etwas, das man tut. Meditation ist Nicht-Tun. Deswegen sind Konzentration und Achtsamkeit keine Meditation. Beide Methoden sind ein Tun. Dabei steuern wir unsere Aufmerksamkeit. Dies erfordert so etwas wie Kontrolle und damit etwas Kontrollierendes. Meditation dagegen ist gewähren lassen, ist reines Sein. Es ist ein sich öffnen, ein geschehen lassen. Wir versuchen nicht, etwas herbeizuführen, etwas zu bewirken oder eine besondere Erfahrung zu machen. Deshalb kann Meditation auch nicht gut oder schlecht ausfallen. Wir lassen es geschehen und es geschieht, weil es geschieht. Mystische Erfahrungen unterliegen nicht der willkürlichen Kontrolle. Zur Erleuchtung können wir nicht durch Übungen gelangen, nicht durch Nachdenken und Tun. Alles was wir tun können, ist nichts tun. Wir lassen alle Gedanken, Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen los. Wir öffnen uns, wir warten, wir werden abgeholt. Es ist wie ein Sog, der uns in unser Zentrum zieht. Es ist wie etwas, das man in der Mathematik einen Attraktor nennt. Etwas, das uns zu sich hinzieht, auf das sich alles zubewegt. Es ist das Bewusstsein, das uns führt.

Beim Meditieren suchen wir nicht nach dem Selbst. Das Selbst ist immer in uns. Es ist verdeckt durch unser Tun, unser Denken, Handeln und Fühlen. Wie ein aufgewühlter See, in dem wir vor lauter Schlamm nichts sehen können, ist auch unser Geist vernebelt, sodass wir das Selbst nicht erkennen können. Wenn wir den Geist zur Ruhe kommen lassen, setzt sich auch der Schlamm, verschwindet der Nebel und in der Klarheit kommt das Selbst zum Vorschein. Wir müssen unser Selbst nicht suchen, es ist schon da. Wir müssen nur warten, es findet uns. Aber Nicht-Tun und warten fällt uns meistens viel schwerer als etwas tun. Wir sind gewohnt, von Reizen überflutet zu werden. Wenn Reize ausbleiben, wird unser Geist schnell unruhig und versucht, die ausbleibenden äußeren Reize durch innere Aktivität, durch Gedanken und Gefühle, zu ersetzen. Ihm diese Gewohnheit abzugewöhnen, wird nicht leicht. Wir erreichen dies nicht durch Kraft, Energie und Tun. Nichts regt diese Aktivitäten mehr an, als ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Lassen wir sie kommen und gehen, bleiben wir im Nichtstun.

Anders als bei der Konzentration und der Achtsamkeit fokussieren wir während der Meditation unseren Geist nicht auf etwas, auch nicht auf die Innenwelt. Wir geben ihn stattdessen frei, stellen den Fokus auf unendlich. Wir wechseln von einem engen auf einen offenen Fokus. Dies ist anfangs äußerst ungewohnt und unser Geist, dem die Stille bisher fremd war, wird ständig versuchen, sich an irgendetwas festzuhalten, an Gedanken, Gefühlen und Emotionen. Wenn dies geschieht, lassen wir, wie in unseren Konzentrationsübungen gelernt, es los, kehren danach aber nicht auf ein fokussiertes Objekt zurück, sondern bleiben im Nichts, in der Leere, in der Potenzialität. Es ist eine Meditationsmethode, die einer Jahrtausend alten buddhistischen Tradition folgt. Wir wenden uns weg von der Materie hin zur Potenzialität, weg vom Wissen hin zum Nicht-Wissen. Je weiter wir mit unserer Meditation kommen, desto ruhiger wird unser Geist. Ein ruhiger Geist ist der erste Schritt zur Erleuchtung. Mit einem ruhenden Geist stellt sich im Laufe der Meditation ein Zustand großer Wachheit, Aufmerksamkeit, Klarheit und Stille ein.

Es gibt nicht die eine allgemeingültige Meditation. Eine Meditationstechnik, die für den einen gut ist, ist es für den anderen nicht und umgekehrt. Meditation ist keine Geheimlehre, es ist keine Religion und erst recht keine Esoterik. Es gibt keine Meditationstechnik, der wir blind folgen müssten. Egal mit welcher Meditation, mit welcher Technik, man beginnt, wenn man regelmäßig meditiert, offen für sein Bewusstsein ist, findet man nach einiger Zeit zu seiner eigenen, individuellen Meditation. Das Spüren, das Erfahren, ist der entscheidende Faktor, nicht Wissen und Erkennen. Verlassen wir uns nicht auf Ratschläge von außen, hören wir auf unsere innere Stimme. Die einzige Regel in unserer Meditation ist deshalb der offene Fokus. Regelmäßige Meditation führt unseren Geist zurück zur Quelle, aus der er entsprungen ist, zu unserem Selbst. Meditation ist kein Hobby, keine gelegentliche Entspannungs- oder Konzentrationsübung, Meditation ist ein Lebensweg.

Mit diesem Beitrag endet meine Übersicht über die Methoden zur Beeinflussung unseres EVA-Prozesses. Wenn wir mit den Übungen beginnen, konsequent und regelmäßig üben, machen wir uns auf den Weg. Auf den Weg nach innen. Mit der Veränderung unseres EVA-Prozesses, unseres Bewusstseinsprozesses, werden sich unsere neuronalen Strukturen und damit unser Bewusstsein und unser Leben verändern. Bei dem einen weniger, bei dem anderen mehr, bei dem einen langsamer, bei dem anderen schneller. Was einem auf dem Weg begegnen und wo er uns hinführen kann, folgt in den nächsten Beiträgen.

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